Die Deutschen lieben ihren Wald

Die Deutschen lieben ihren Wald

So titelt n-tv am gestrigen Internationalen Tag des Waldes. Mir hat der Titel so gut gefallen, dass ich ihn in meinen heutigen Beitrag zu Wald & Bäumen 🌲🌳 übernommen habe. Euch auch?

Doch wie ist der Titel denn entstanden? Das liegt nicht nur am Tag des Waldes, sondern an einer veröffentlichten repräsentativen Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Die gute Nachricht darin: Fast die ganze 🇩🇪 Bevölkerung (87%) verbringt gerne Zeit im Wald. Das kann ich übrigens sehr gut verstehen, denn ich liebe es auch, meine Zeit im Wald zu verbringen. Es gibt kaum einen schöneren Ort, an den ich immer und immer wieder so gerne komme. „Waldbaden“ ist dabei übrigens eine besonders entspannende Art, die Natur zu erleben – die inzwischen sogar so populär ist, dass es längst einen eigenen Bundesverband Waldbaden gibt.

Eine weniger schöne Seite ist jedoch der Zustand unserer Wälder weltweit und auch in Deutschland. Während die wundervollen Regenwälder weichen müssen für Palmöl-Plantagen oder Sojaanbauflächen zur Ernährung unserer „Esstiere“ wie bspw. Rinder, sorgt die inzwischen beständige Trockenheit und die seit über 3 Jahren anhaltende Dürre in unseren Breitengraden für das nächste große Waldsterben. 😞

Ja, wir haben eine Dürre, immer noch – obwohl es in den vergangenen Monaten recht viel geregnet hat. Doch der Gesamtboden, der vor allem als Wasserspeicher für die trockenen Sommermonate wichtig ist, zeichnet weiterhin ein schlechtes Bild, wie der Dürremonitor des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) zeigt:

Es bräuchte mehrere feuchte Jahre um diese Trockenheit wieder auszugleichen, die den Bäumen und der Pflanzenwelt großen Stress bereitet und Schädlinge wie den Borkenkäfer oder Waldbrände in den Sommermonaten stark begünstigt. Deshalb sehen vor allem unsere forstwirtschaftlichen Monokultur-Fichten-Wälder leider immer öfter so aus:

Foto aus einem Wald im Bergischen: Im Hintergrund die kahlen und toten Fichten, im Vordergrund der Nachwuchs 🌱

▶️ Während wir gegen den fehlenden Niederschlag hierzulande nur indirekt etwas tun können durch die grundsätzliche Bekämpfung der Klimakrise, haben wir paradoxerweise beim fernen Regenwald direkte Handhabe, aktiv zu werden:

  1. Kauft keine Produkte mit der Zutat „Palmöl“, denn dieses stammt zumeist aus Monokultur-Plantagen auf Flächen, wo vorher ein ganzes Ökosystem mit einem unfassbar großen Artenreichtum wuchs: Regenwald. Mehr über den Problemfall Palmöl erfahrt ihr hier in einem Artikel der Verbraucherzentrale.
  2. Esst weniger Fleisch und tierische Produkte, denn zur Ernährung der zahllosen Tiere (325 Millionen Tonnen Fleisch pro Jahr weltweit❗) wird viel Soja benötigt, das sich besonders gut auf abgeholztem Gebiet des Amazonas-Regenwald in Brasilien anbauen lässt. Mehr zum Thema Fleischkonsum 🥩📉 hier in meinem Blog.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich richtigerweise laut der YouGov-Studie immerhin 75% der Deutschen um den Zustand unserer Wälder sorgen – „61 Prozent aller Befragten erwarten, dass sich deren Zustand in den nächsten 20 Jahren verschlechtern wird.“

Doch was können wir tun?

Um mehr darüber zu erfahren, habe ich mit jemandem gesprochen, dessen Passion die heimischen Bäume sind: Baumwächter Andreas Theves. Hier kannst du mehr über die Bäumwächter erfahren, doch lies zunächst, welche spannenden Aspekte seines Lebens als „Baumwächter“ Andreas mir im gemeinsamen Interview verraten hat.

Was begeistert dich so an Bäumen?

Mein Großvater mütterlicherseits war Stadtgärtner in Aachen, er hat lange vor dem Zweiten Weltkrieg viele Bäume im dortigen „Stadtpark“ https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtgarten_Aachen gepflanzt. Auch ich selbst habe vor fast 40 Jahren den Beruf des Gärtners Fachrichtung „Garten.- und Landschaftsbau“  gelernt und habe so meine Liebe zu Pflanzen und Bäumen entdeckt. Von daher habe ich schon früh einen scharfen Blick dafür entwickeln können, wie es  Pflanzen geht. Der enge Bezug zu den Bäumen wurde mir sozusagen schon in die Wiege gelegt.

Es mag etwas verrückt klingen, aber Bäume sind uns Menschen an vielen Stellen gar nicht so unähnlich. Neuesten Studien zufolge nehmen Bäume nachts sogar eine Art Schlafhaltung ein und sie kommunizieren miteinander und warnen sich zum Beispiel gegenseitig vor Gefahren. Und jeder Baum hat eine ganz spezielle Persönlichkeit. Gerade in Parks kann man das besonders gut beobachten. Ich habe Lieblingsbäume und eben auch welche, die ich eher weniger mag. Vor allem ihre unglaubliche Größe, ihre Mächtigkeit und ihr Alter faszinieren mich immer wieder.

Weshalb hältst du dich gerne in ihrer Nähe auf?

Bäume sind vor allem richtig gute Nachbarn. Wer sich einmal wirklich auf sie eingelassen hat, wird sie so schnell nicht mehr los. Was mich hingegen unglaublich ärgert, dass Bäume heutzutage oft nur als Sache oder gar als Bedrohung angesehen werden und nicht als Lebewesen. Wird irgendwo Platz benötigt, wird schnell gefällt, weil Bäume eine leichte Dispositionsmasse darstellen. Bäume sind schnell und preisgünstig gefällt und schnell „entsorgt“. Holz schafft kein Entsorgungsproblem, es kann jeder brauchen, für den Ofen oder für auch für andere Dinge.

Dabei ist es längst kein Geheimnis mehr, dass wir die Bäume so dringend brauchen in Zeiten von Klimawandel und sich anbahnender Klimakrise. Selbst sehr kleinen Kindern fällt es meist spielend leicht, die Vorteile der Bäume hinsichtlich des Mikroklimas und des Sauerstoffs aufzuzählen und sie wissen meist sehr gut Bescheid über die Bedeutung als Rückzugs- und Brutplatz für bedrohte Tierarten. Nur uns Erwachsenen will das oft nicht einleuchten.

Was ist ihr größtes Geheimnis?

Bäume haben eine spezielle Sprache. Sie teilen sich unmissverständlich mit, ob es ihnen schlecht geht oder nicht. Leider fällt dem Laien das oft erst dann auf, wenn es für den Baum schon zu spät ist. So gibt es bestimmte Linden, die ihre hellen Blattunterseiten bei starker Hitze nach außen drehen, um sich so besser zu kühlen. Ihr größter Nachteil: sie sind wortwörtlich auf „Gedeih und Verderb“ auf ihren angestammten Standort angewiesen, wo sie teilweise schon länger als zwei oder drei Menschenleben lang wachsen und sie können weder schreien noch weglaufen, wenn es ihnen schlecht geht. Darum sind sie besonders ins Städten und Parks auf uns Menschen angewiesen, denn hier herrschen für Bäume viel extremere Bedingungen als in Wäldern: Bodenverdichtung und Bodenversiegelung, Belastung durch einseitige Hitzeeinwirkung (im Wald spenden sich Bäume gegenseitig Schatten) und Wassermangel. Dazu kommen oft noch Krankheiten. Seit 2007 ist in Deutschland z. B. eine Krankheit an Rosskastanie bekannt. Das bakterielle Rosskastanien-Sterben befällt Bäume jeglichen Alters. Das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi löst die Krankheit aus. Die Krankheit kann vom Absterben der Rinde des Baumes über Sekundärinfektionen unterschiedlicher Pilzarten bis zum Absterben des ganzen Baumes führen. Durch die schnelle Ausbreitung der Krankheit gehen Forscher davon aus, dass die Übertragung über die Luft und den Niederschlag passiert.

Weshalb brauchen die Bäume unsere Unterstützung?

Das liegt auf der Hand: je früher wir einen gesundheitlichen Schaden an einem Baum erkennen, umso schneller kann es gelingen, rechtzeitig Alarm zu schlagen und aktiv Gegenmaßnahmen einzuleiten. Es gibt zum Beispiel spezielle technische Verfahren, den Boden um alte Bäume herum mittels Pressluftinjektionen zu lockern. Das ist zwar nicht ganz billig, aber bei besonders alten und wertvollen Bäumen lohnt sich der Aufwand fast immer. Wir haben im vergangenen Jahr mit fast hundert großen und kleinen Menschen und einer Eimerkette jeden Sonntag eine fast 200 Jahre alte Blutbuche gegossen. 1000 Liter in einer Stunde sind so vom Rhein an den Baum gewandert. Wichtig zu wissen: nicht jeder sichtbare Pilz an einem Baum ist gefährlich und nicht jeder hohle Baum muss gefällt werden. Man nehme sich dazu nur eine leere Klopapierolle als Beispiel, wie stabil ein Hohlkörper ist.

Was passiert mit deinen Bäumen in Bonn?

Hier in Bonn haben wir trotz der Nähe zum Rhein ein starkes Trockenheitsproblem. Die alten Bäume im Park Carstanjen stehen in einem Boden, der sehr viel Rheinkies enthält. Die Wasserhaltefähigkeit des Bodens ist dadurch ziemlich begrenzt. Fällt ausreichend viel Regen, ist alles gut. Bleibt der Regen jedoch über längere Phasen aus wie in den letzten drei Jahren, wird es schnell eng für die Wasserversorgung der Bäume. Eine Bildung von Humus wie in den Wäldern, der das Wasser deutlich besser halten würde, kann hier nicht entstehen, da jegliches Laub wie auch der Rasenschnitt systematisch aus dem Park mit deutscher Gründlichkeit via Laubbläser entfernt wird. 

Was kann jeder tun?

Das Schlimme ist: wenn ein Laie erkennt, dass es einem Baum schlecht geht, ist er meist schon nicht mehr zu retten. Daher sollten wir lernen, die Signale eines Baumes früher zu erkennen. Das ist kein Hexenwerk und es bedarf dazu keiner speziellen Ausbildung. Aufmerksame Haustierhalter entwickeln auch schnell ein gesundes Gefühl dafür, ob es ihren Liebsten gut geht oder nicht. Bei Bäumen ist das im Prinzip ganz genau so. Wir müssen nur unseren Blick dafür schärfen. Bäume sind übrigens ganz wundervolle Fotomodelle, auch für den ungeübten Fotoanfänger.

Wichtig aber vor allem: Bäume wieder als echte Lebewesen wahrnehmen, die uns in heißen Sommern „24/7“ als hochleistungsfähige Klimaanlagen zur Verfügung stehen, die völlig geräuschlos arbeiten. Jede*r kann ganz ohne eine spezielle Ausbildung lernen, zu erkennen, ob es einem Baum gut geht oder nicht.

Was ist dein größter Wunsch als Baumwächter?

Ich würde mir wünschen, dass es in Zukunft in jeder größeren deutschen Stadt und darüber hinaus Gruppen von engagierten Baumwächter*innen gibt. So kann es gelingen, den anhaltenden Baumschwund in den Städten zu bremsen. Noch sind wir meilenweit davon entfernt, dass jeder gefällte Baum wenigstens 1:1 nachgepflanzt werden muss. Besser für unser innerstädtisches Klima wäre es, wenn für jeden gefällten alten Baum 3-4 neue Bäume gepflanzt werden müssten. Aber das ist fast immer noch Zukunftsmusik. Hier bei uns in Bonn werden aktuell von der „Unteren Naturschutzbehörde“ lediglich unverbindliche „Nachpfanzempfehlungen“ nach Fällungen ausgesprochen, die natürlich oft aus unterschiedlichen Gründen nicht ernstgenommen werden. Hier muss von der Politik dringend nachgebessert werden.

Herzlichen Dank für das Interview und diesen tollen Einblick in deine Leidenschaft als Baumwächter, lieber Andreas. 💚🙏🏼

Neugierig geworden?

▶️ Dann sieh dir diese tolle Initiative der Baumwächter unbedingt näher an. Oder hast du wie ich beim Lesen des Textes gemerkt, dass du selbst irgendwie auch schon ein Baumwächter bist?

Dann bist auch du schon ein Bäumwächter! Animiere Familie, Freunde und Bekannte es dir gleich zu tun. Und berichte in den Kommentaren unten 👇🏼 sehr gerne von deinen ganz persönlichen Erfahrungen mit Wald & Bäumen.

2 Kommentare zu „Die Deutschen lieben ihren Wald

  1. Hallo zusammen,
    das ist ein tolle zusammenfassung der Situation in unseren Wäldern. Als Forst- und Bodenkundler habe ich mich lange mit dem Problem beschäftigt. Unsere Wälder leiden noch an den Folgen des Waldsterbens 1.0 vor 25 Jahren. Auf sandigen Böden fehlt häufig der Humus. Schwere Maschinen zerquetschen den Boden, um nur einige „Altlasten“ zu nennen. Mit einem Freund habe ich mögliche Abhilfe zusammengestellt. Unter https://www.springer.com/de/book/9783658327392 findet ihr das Buch ´Renaturierung von Waldböden´. Man kann es ganz waldschonend als pdf herunterladen.
    Viele Grüße
    Kai Blanck

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